Bogen & Blankwaffen
Zuletzt bearbeitet am 10. Mai 2025.
Bogen
Die Geschichten und Mythen um Robin Hood, der die Reichen beraubte und die Beute den Armen gab, kennt jeder. Berühmt wurde er durch seine unglaubliche Treffsicherheit mit dem Bogen, die seine Feinde das Fürchten lehrte. Doch woher kommen Pfeil und Bogen eigentlich? Wer kam auf die Idee, einen „Stock“ zu biegen und eine „Schnur“ an beide Enden zu binden um damit einen anderen kleineren „Stock“ weit weg zu schießen? Und wann kam ihm die Idee?
Nun, Darstellungen von Bogenschützen finden wir durch alle Zeitalter: Mittelalter, Antike und auch in Höhlenzeichnungen sind Jagdszenen mit dem Bogen zu finden. Womit wir schon einmal in der Steinzeit angekommen wären. Hiermit klärt sich auch, dass man den eigentlichen Erfinder nun unmöglich mehr herausfinden kann und auch nicht wann er oder sie gelebt hat. Jedoch archäologisch belegen kann man die Darstellungen von Bogenschützen, wie zum Beispiel in der Höhle von Valtorta / Spanien, deren Alter auf etwa 13.000 Jahre geschätzt wird.
Steinspitzen sind bereits sehr viel älter datierte, bis zu 64.000 Jahre alt, gefunden worden. Leider kann man aber aufgrund der fehlenden Holzteile nicht genau sagen, ab wann sie für Bogenpfeile verwendet wurden. Wurden sie ja auch für Speere und den Vorläufer der Bogenpfeile, den sogenannten Wurfpfeil genutzt. Dieser war ein vermutlich 1,50 Meter langer, gefiederter Pfeil, der mit einer Wurfvorrichtung ähnlich der Speerschleuder geschossen wurde.
Bogenfunde sind recht selten, da Holz ja leider ein sehr anfälliges Material gegenüber Witterung, Schädlingen und vor allem der Zeit ist.
Der glückliche Zufall wollte es jedoch, dass so ein wundervoller Bogen (Foto) in einem Moor in Holmegård / Dänemark konserviert wurde. Wenn auch in 5 Teile zerbrochen, konnten die Archäologen ein gutes Bild aus dem Fund lesen und schätzten den Bogen auf ein Alter von etwa 8.000 bis 10.000 Jahren.
Gefertigt wurde der etwa 1,50 Meter lange Bogen aus Ulmenholz. Seine Wurfarme waren am erhabenen, an die Handfläche angepassten Griffstück breiter und liefen nach außen immer spitzer zu. Da die Bauchseite des Bogens im Gegensatz zum gewölbten Rücken flach ist, wird diese Bauweise mit
D-förmigem Querschnitt auch Flachbogen genannt oder auch als mesolithischer Standardtyp. Er war zu seiner Zeit schon ein Hightech-Bogen und jeder, der diese Bogenart schon einmal gebaut und geschossen hat, kann dies bestätigen. Steht er den Langbogen in seiner Effektivität doch in nichts nach.
Es gibt nur spärliche Quellen über die Entwicklung des Englischen Langbogens. Doch aus Funden bei Ausgrabungen konnten auch hier Nachbauten angefertigt werden.
Der Querschnitt des Englischen Langbogens weist ebenfalls ein sowohl tiefes, als auch zum Beispiel beim viktorianischen ein schmales
D-Profil auf, dieses jedoch auf die Bauchseite gewölbt. Ein
D-förmig profilierter Bogen stellt hohe Anforderungen an die Druckfestigkeit des Holzes, denen nur ausgesuchte Holzsorten und -qualitäten gerecht werden. Hier schafft eine Änderung des Querschnittdesigns hin zu flacheren und breiteren, eher rechteckig anmutenden Wurfarmen Abhilfe, die neben der höheren Belastbarkeit auch ein angenehmeres Schießverhalten aufgrund deutlich reduzierten Handschocks aufweisen. Die Bogen sind in ihrer Länge der Größe des Schützen angepasst.
Langbogen waren in England die Kriegswaffe schlechthin und jeder Engländer war ab einem gewissen Alter dazu verpflichtet, einen Bogen mit mindestens drei Pfeilen zu besitzen und ebenso mit diesem zu trainieren. So wurden die Schützen zu hoch spezialisierten Einheiten mit hohem Ausbildungsaufwand und konnten bis zu zehn Pfeile pro Minute über Reichweiten von bis zu 200 Metern abschießen.
Die Stärke dieser Bogen war enorm, im Schnitt um die 80 Englische Pfund (1 Englisches Pfund ≈ 0,454 Kilogramm). Es wurden Belege für noch stärkere Bogen gefunden, so zum Beispiel der Fund einer Kriegsspitze im hölzernen Dach eines Turms des Towers of London, deren Eindringtiefe sich nur mit einem Bogen von mehr als 120 Englischen Pfund erklären lässt. Ein weiteres Indiz für Zuggewichte über 100 Pfund geben Bogenfunde des 1545 gesunkenen Schiffswracks Mary Rose. So weisen Skelettfunde englischer Langbogenschützen Deformationen im Bereich der Schulterachse auf, die ebenfalls auf die hohen Zuggewichte zurückgeführt werden können. Ziel war hier eine möglichst hohe Durchschlagskraft schwerer Pfeile. Kettenrüstungen, Plattenrüstungen oder Eichenplatten von etwa 2,5 Zentimeter Stärke können Berichten zufolge von Langbogenpfeilen durchschlagen werden.
Wie schnell die damaligen Pfeile waren, lässt sich heute nur aufgrund ungenauer Reproduktionen von Funden erahnen, doch ergaben diese eine Geschwindigkeit von etwa 140 bis 150 feet per second (die damals wie heute gebräuchliche Geschwindigkeitsangabe), was 153 bis 164 Kilometer pro Stunde entspricht. Dieser Wert erscheint nicht zuletzt aufgrund der gemessenen Pfeilgeschwindigkeiten heutiger Vollholzbogen als durchaus nachvollziehbar.
Unter den Langbogen des Mittelalters stellt der Wikingerbogen eine Sonderform dar. Er hat die Stabform mit ovalem Querschnitt der frühen Langbogen und zeichnet sich durch seine verdickten, nach hinten gebogenen Enden aus, die den Bogen, wenn man ihn horizontal mit dem Rücken nach unten hält, an die Form eines Wikingerschiffs erinnern lassen.
Wurden in der Steinzeit die Bogen oft aus Ulmenholz gefertigt, so wurde im Mittelalter und vor allem in England meist Eibe verwendet. Die Eibenrohlinge stammten in erster Linie aus Süddeutschland und Norditalien und es entwickelte sich ein sehr lebhafter Handel. Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Eibe rücksichtslos abgeholzt, so dass sie in der freien Natur in Europa relativ selten wurde. Heute steht sie unter Naturschutz und ist fast ausschließlich noch in Parks und auf Friedhöfen anzutreffen. Weitere hervorragende Bogenhölzer zum Langbogenbau — die vor allem heute verwendet werden — sind „Osage Orange“ (Maclura) und Robinie. Die Robinie wurde erst um 1630 aus Nordamerika nach Europa eingeführt. Während aus Osage Orange sehr gute Langbogen gebaut werden können, eignet sich Robinie aufgrund seiner Härte vor allem für Flachbogen. Des Weiteren zu nennen wären unter anderem auch Ahorn, Hickory, Esche und Eberesche.
Zum Bau der Bogensehne, die die Energie des Bogenstabs auf den Pfeil überträgt, wurden in der Steinzeit Tiersehnen, bei mittelalterlichen Langbogen Lein oder Fasern der Brennnessel verwendet.
Auch wenn der Langbogen im Mittelalter als Kriegswaffe verwendet wurde, ist er — ebenso wie alle anderen Bogen — nach dem deutschen Waffengesetz keine Schusswaffe.
Bogentypen
Alle Bogen lassen sich in die Kategorien
Stabbogen,
Recurvebogen,
Reflexbogen und
Deflexbogen unterteilen.
In der folgenden Liste stellen wir einige Bogentypen und Bauweisen vor, die in verschiedenen regionalen Ausprägungen weltweite Verbreitung fanden.
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Flachbogen
Der Flachbogen gehört zu den ältesten Bogentypen. In Nordeuropa war er von der mittleren Steinzeit bis in die Bronzezeit weit verbreitet, daher gilt er für diese Region und diesen Zeitraum als Standardtyp. Seinen Namen verdankt er den flachen, dafür aber recht breiten Wurfarmen, die den Bogenrücken in der Draufsicht wie einen Propeller aussehen lassen, weshalb er manchmal auch als
„Propeller-Typ“ bezeichnet wird. Der Vorteil der breiten Wurfarme ist die geringere Anfälligkeit gegenüber Rissen, weshalb für diese Bogen auch weniger druckfeste Hölzer verwendet werden können. Typische historische Bogenhölzer waren Ulme und Esche, aber auch Eibe wurde verwendet.
Kompositbogen
Kompositbogen entwickelten sich vor allem in holzarmen beziehungsweise holzlosen Gebieten wie Wüsten oder Steppen, da sie neben Holz auch aus Knochen, Horn, Geweihen, Sehnen, Walbarten, Haut oder Leder bestehen können. Die Bogen werden in der Regel als Recurvebogen gebaut, was die Bauhöhe und somit den Materialverbrauch reduziert und dennoch eine hohe Leistung ermöglicht. Ferner sind die meisten Kompositbogen asymmetrisch, der untere Wurfarm ist kürzer, was den Handschock reduziert und den Bogen als Reiterbogen leichter handhabbar macht. Die Komponenten werden traditionell mit organischen Leimen wie Haut- oder Knochenleim verleimt, weshalb die Bogen sehr anfällig gegen feuchte Witterung sind.
Der größte Kompositbogen mit einer Länge von bis zu 2,45 Meter ist der japanische
Yumi (
弓,
ゆみ, „Bogen“), der aus Holz und Bambus besteht und wegen seiner asymmetrischen Recurvebauweise auch als Reiterbogen genutzt werden kann.
Bogen, die aus mehreren miteinander verleimten Schichten Holz bestehen (auch bei Verwendung unterschiedlicher Holzarten), werden nicht als Kompositbogen bezeichnet. Stabbogen in Kompositbauweise sind möglich, zu denen zum Beispiel der Angularbogen gehören könnte.
Angularbogen
Der Angularbogen wurde in erster Linie von Ägyptern, Assyrern und Hethitern verwendet. Seine kurze Bauweise mit großer
Standhöhe macht ihn zu einer effektiven, auch auf einem Streitwagen gut handhabbaren Waffe, deren Fertigungszeit jedoch wesentlich kürzer war als die eines klassischen Kompositbogens.
Seine starke Biegung legt eine Kompositbauweise nahe, abgespannt wäre er dennoch ein Stabbogen. Auf manchen Darstellungen ist die Biegung am Griff nicht gerundet sondern winklig. Sollte es tatsächlich so gewesen sein — der „Schießkomfort“ leidet wahrscheinlich sehr unter einer solchen Form des Griffes — kommt auch eine Bauweise als Deflexbogen infrage. Dabei wird das Bogenmaterial mit Wasserdampf erweicht und unter Druck in die gewünschte Form gebracht. Das Aufbringen von zäh-elastischen Materialien wie Sehnen, Haut oder Leder auf den Bogenrücken, ein sogenanntes
„Backing“, reduziert dabei die Gefahr von Rissen oder Brüchen.
Langbogen
Langbogen gehören zwar zu den einfachsten Bogenformen, der typbedingt hohe Materialverschleiß stellt jedoch große Qualitätsanforderungen an das Bogenholz und erfordert einen sorgfältigen Bogenbau. Der Bogenstab ist auf der Rückenseite starken Zugkräften und auf der Bauchseite starken Kompressionskräften ausgesetzt, die aufgrund der einfachen Stabform nicht abgeleitet werden können, was zu Rissen und Brüchen führen kann. Einige Hölzer, wie das der Eibe, sind jedoch in der Lage, diesen Defizit auszugleichen. Weiterhin hat Eibenholz eine gute Rückstellfähigkeit, das heißt, es verbleibt nicht in der Form des gespannten Bogens sondern nimmt nach der Entspannung seine Stabform wieder an. Hölzer, denen diese Rückstellfähigkeit fehlt, verlieren mit der Zeit sehr an Schussleistung.
Bei den Olympischen Spielen 1900, 1904, 1908 und 1920 wurden die Bogenwettbewerbe mit Langbogen geschossen. Erst bei den nächsten olympischen Bogenwettbewerben im Jahre 1972 wurden schließlich moderne Recurvebogen verwendet.
Recurvebogen
Antike Recurvebogen wurden zumeist in Kompositbauweise gefertigt. Die schon unter dem Angularbogen genannte Fertigungsart mittels Wasserdampf und Druck war zwar möglich, erhöhte aber bei dieser Bogenform die Gefahr eines Bruches erheblich. Eine weitere mögliche Fertigungsart ist die Verleimung einzelner Holzlamellen, welche der Kompositbauweise ähnelt, aber wie schon unter dem Kompositbogen beschrieben, nicht als solche bezeichnet wird.
In der Gegenwart ist der Recurvebogen die geläufigste Form des Sportbogens und seit 1972 die einzige olympische Bogendisziplin. Zuvor wurden aber schon 1900, 1904, 1908 und 1920 olympische Wettbewerbe mit Langbogen geschossen. Die moderne Laminatbauweise der Recurvebogenwurfarme zählt trotz der unterschiedlichen verwendeten Materialien wie Holz, glasfaserverstärkte Kunststoffe, Carbon und allerlei Kunstharze nicht zu den Kompositbogen.
Bogenschießen
Seit dem späten Jungpaläolithikum begleitet der Bogen die Menschheit als Jagd- und Kriegsgerät, bis er in der Moderne als solches von Feuerwaffen abgelöst aber zunehmend als Sportgerät eingesetzt wurde. Seine Verwendung war derart vorteilhaft, dass alle schrift- oder zeichenkundigen Völker Aufzeichnungen darüber hinterließen, wie er zu benutzen war.
Das älteste Werk über das Bogenschießen in englischer Sprache ist das 1545 erschienene
„Toxophilus, The schole of shootinge conteyned in two bookes.“ von Roger Ascham. Darin unterhalten sich die beiden Personen
Philologus und
Toxophilus in einem platonischen Dialog über Geschichte, Zweck, Ausrüstung und Technik des Bogenschießens. Darüber hinaus spiegelt es den hohen Stellenwert wider, den der Bogen auf den britischen Inseln, besonders in Wales und England, während des Mittelalters und der frühen Neuzeit innehatte.
Im Deutschland der frühen Moderne hatte das Bogenschießen wesentlich an Popularität eingebüßt. So hielt es Johann Wolfgang von Goethe im frühen 19. Jahrhundert für eine exotische Erscheinung und ein im Jahre 1920 erschienenes Heftchen mit dem Doppeltitel
„Bogenschießen / Werfen mit dem Bumerang“ war lange Zeit die maßgebliche deutschsprachige Anleitung für das Bogenschießen.
Dabei war es seit Jahrhunderten Teil der höfischen Wohlerzogenheit (der „Zucht“), geübt im Umgang mit dem Bogen und der Armbrust zu sein. Die Königsdisziplin war hierbei die Jagd zu Pferd in vollem Galopp auf fliegende Vögel. Hieraus entstand im 14. Jahrhundert, vermutlich zuerst in Hannover, der Wettbewerb des Papageienschießens, auch Vogelschießen oder Adlerschießen genannt. Dabei schossen die Wettbewerbsteilnehmer mit Bogen oder Armbrust einen Holzvogel von einer langen, senkrecht stehenden Stange. Zwei Kupferstiche von Pieter Bruegel dem Älteren aus dem 16. Jahrhundert zeigen das Bogenschießen auf Volksfesten: das Werk
Die Kirmes bei Sankt Georges zeigt das Vogelschießen (die Zielstange befindet sich auf der Spitze einer Windmühle) und das Werk
Die Kirmes von Hoboken zeigt das „normale“ Scheibenschießen auf einen untermannshohen Holzpfosten mit einer als Scheibe dienenden ovalen Zielmarkierung, offenbar eine Leder- oder Textilbespannung, mit einem gemauerten Pfeilfang dahinter.
Auch wenn zahlreiche Darstellungen von Bogenschützen die Jahrhunderte bis in unsere Zeit überdauert haben, lassen sich auf ihnen nicht immer die damals verwendeten
Schießtechniken herleiten, da die künstlerische Freiheit solche Details gerne übersah oder einfach aus Unkenntnis falsch wiedergab — was selbst auf aktuellen künstlerischen und medialen Darstellungen häufig immer noch der Fall ist. Im Toxophilus heißt es zum Auszug der Sehne:
Men in oulde tyme used other maner of drawynge than we do. They used to drawe low at the brest, to the ryght pap and no farther [...] The noble women of Scythia used the same fashyon of shootyng low at the brest, and bicause there lefte pap hindred theyr shootynge at the lowse they cut it of when they were yonge, and therfore be they called in lackynge theyr pap Amazones. Nowe a dayes contrarye wyse we drawe to the ryghte eare and not to the pap.
Frei übersetzt:
Männer in früheren Zeiten nutzten eine andere Art des Auszugs als wir. Sie zogen [die Sehne] tief an der Brust, bis zur rechten Brustwarze und nicht weiter [...] Die adligen Frauen der Skythen nutzten dieselbe Schießmethode tief an der Brust, und weil sie ihre linke Brust (oder Brustwarze) beim Ablass [der Sehne] störte, schnitten sie diese in ihrer Jugend ab und wurden wegen des Fehlens ihrer Brust (oder Brustwarze) Amazonen genannt. Heutzutage ziehen wir [die Sehne] zum rechten Ohr und nicht zur Brust.
Das genannte „Heutzutage“ bezieht sich natürlich auf das Jahr 1545, im heutigen „Heutzutage“ wird die Sehne bis zum Kinn
(Kinnanker) oder etwas seitlich davon
(Seitenanker) gezogen. Besonders im traditionellen und intuitiven Bogenschießen — aber auch mit dem Compoundbogen — liegt der Ankerpunkt meist im Gesicht, oft am unteren Rand des Jochbeins. Einen Gegensatz hierzu bildet die japanische Kunst des Bogenschießens,
Kyūdō (
弓道,
きゅうどう, wörtlich: „Weg des Bogens“, sinngemäß: „Bogenlehre“). Hier liegt die Zughand im Vollauszug auf Höhe des Ohres oder sogar dahinter.
Auch das Problem der „störenden“ linken Brust — vor allem bei (rechtshändigen) Schützinnen — existiert mitunter heute noch. Anstatt sich jedoch vermeintlich störender Körperteile mittels roher Gewalt zu entledigen, kommt hier heute ein
Streifschutz oder manchmal auch
Brustschutz genannter Ausrüstungsgegenstand zum Einsatz. Dieser verhindert weiterhin, dass die gelöste Sehne durch die Kleidung behindert wird, so dass auch anatomisch weniger ausladende Personen diesen Schutz sinnvoll nutzen können.
Andere Schutzausrüstungen waren hingegen schon in frühesten Zeiten bekannt: Die Nutzung des
Armschutzes zum Beispiel ist seit der Jungsteinzeit archäologisch gesichert. Verwendet wurden hierfür Platten aus Holz, Leder, Horn, Knochen / Bein, Elfenbein, Bernstein, Gesteinen wie Schiefer oder Sandstein sowie Metallen wie Kupfer, Bronze, Silber und Gold. Obwohl sie auf historischen Abbildungen oft fehlen, waren gewiss auch
Schießhandschuhe schon früh im Inventar der Bogenschützen zu finden. Sofern der Bogen nicht über eine Pfeilauflage verfügt, schützt ein Handschuh die Bogenhand vor Verletzungen durch die Befiederung und die Finger der Schusshand sind durch einen Handschuh besser vor mechanischen Belastungen gefeit.
Blankwaffen
Die das Mittelalter beherrschende Blankwaffe war das Schwert — obwohl es in der Regel neben einer Stangenwaffe nur die Zweitwaffe war. Diese vielfach mystifizierte und oft als Macht- und Statussymbol genutzte Waffe war jedoch die erste, die speziell für den Kampf Mensch gegen Mensch entwickelt wurde, also nicht aus einem primitiven Vorgänger oder einer Jagdwaffe hervorging und zunächst nicht als solche benutzt wurde.
Im Grunde lassen sich alle Schwerter in die Teile
- Knauf: Gegengewicht zur Klinge, macht das Schwert leichter führbar und kann selbst als Schlagwaffe dienen.
- Griff: Aus Metall, Holz, Horn, Knochen / Bein oder Elfenbein gefertigt. Oft auch mit Leder oder Metalldraht umwickelt.
- Parier: Anfänglich war der Parier wenig ausgeprägt. Mit der Zeit wurde die Parierstange immer länger, was auch mit der Christianisierung zu erklären ist — das Schwert bekommt die Form eines Kreuzes. Darüber hinaus dient die Parierstange natürlich dem parieren gegnerischer Hiebe und verhindert, dass die Schwerthand in die Klinge rutschen kann.
- Klinge: Zuerst aus Kupfer, dann Bronze, später aus Eisen beziehungsweise Stahl. Die Klingenform wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte und Einsatzgebiete — von der Hiebwaffe ohne Verjüngung und runder Klingenspitze (Ort genannt) zur Stichwaffe (Panzerstecher zum Durchstechen der Plattenrüstungen) mit zunehmender Länge und Verjüngung sowie spitzem Ort jeweils mit oder ohne Hohlkehle.
gliedern.
Die Anfänge gegossener Schwerter lagen nach archäologischen Funden offenbar in der Mitte des 4. Jahrtausends vor Christus auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Dort wurde eine natürlich vorkommende Kupfer-Arsen-Legierung zu Schwertern mit langer, dünner Klinge verarbeitet.
Erste Bronzeschwerter im ägäischen Raum fanden sich zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus, in der Zeit des Mittelhelladikums (zum Vergleich: Die Blüte des so genannten antiken Griechenlands beginnt erst im 8. Jahrhundert vor Christus).
In Mittel- und Nordeuropa kamen um das 16. Jahrhundert vor Christus erste Bronzeschwerter mit im Vergleich zu ihren vorderasiatischen Vorläufern deutlich breiteren Klingen auf.
Die ersten mitteleuropäischen Eisenschwerter schmiedeten die Kelten der Hallstattzeit im 8. Jahrhundert vor Christus. Dies belegt ein Fund in einem Brandgrab bei Singen in Baden-Württemberg. Diese glichen den ihnen vorhergehenden Schwertern aus Bronze exakt in der Formgebung und in etwa der Materialhärte — obwohl die Herstellungsweisen völlig verschieden waren — da Bronze gegossen und Eisen geschmiedet werden musste, und zeigt, dass das Härten der Eisenklinge noch nicht bekannt war.
Aus diesen Schwertern entwickelte sich in der Latènezeit ab 450 vor Christus das Latèneschwert, der Vorläufer der Spatha. Ebenfalls aus einem keltischen Schwerttyp, der seinen Ursprung auf der iberischen Halbinsel hatte, entwickelte sich um das 3. Jahrhundert vor Christus der römische Gladius, der ab 193 durch die Spatha abgelöst wurde. Die Spatha ist ein auf Hieb spezialisiertes, mittellanges Schwert mit parallelen Schneiden und rundem Ort und blieb während der Völkerwanderungszeit (375 bis 568) der bestimmende Schwerttyp.
Mit Beginn der Wikingerzeit im 8. Jahrhundert veränderte sich die frühmittelalterliche Spatha zum Wikingerschwert, welches wiederum recht fließend in das Ritterschwert (auch Breitschwert genannt, Foto rechts: Scheibenknaufschwert) überging, es wurde länger und wuchtiger.
Im Hochmittelalter wurde das Schwert durch gerade, sehr lange Parierstangen zu einem christlichen Kreuz, womit die Kreuzfahrer frohen Mutes in das Heilige Land zogen.
Neben den bisher hauptsächlich einhändig geführten Schwertern, entwickelten sich ab dem Hochmittelalter erst anderthalb-, dann zweihändig geführte, lange Schwerter. Eindrucksvolle Zweihänder sind die Bidenhänder und die Flamberge. Im Spätmittelalter wurden die Klingen stärker und spitzer, um feindlicher Rüstungstechnik Paroli bieten zu können (Foto links: italienisches Langschwert). Es kamen auch Techniken zum Einsatz, bei denen das Schwert, mit einer Hand um die Klinge gefasst, als effektivere Stichwaffe eingesetzt wurde, was Kampf mit
halbem Schwert genannt wurde.
Im ausgehenden Mittelalter wurde das klassische Schwert zunehmend durch aufkommende Schusswaffen verdrängt. Landsknechte und Musketiere aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum Beispiel trugen den Katzbalger, das Rapier-Seitschwert oder das Große Messer / Kriegsmesser als Nebenwaffe.
Danach entwickelten sich lange, dünne Klingen: Zuerst der Säbel und schließlich Rapier und Degen, wobei mit zunehmender Zeit die Nachfolger des Schwertes ihre militärische Bedeutung ganz verloren.
Was blieb, ist die Faszination. In allen Kulturen gab es einen gewissen Schwertkult: Das Schwert wurde verschiedentlich mit Schutzzeichen und
einem Namen versehen. Nach dem Tod des Trägers wurde es oft mit in sein Grab gegeben, aber auch gerne vererbt, da es sich um einen wertvollen Besitz handelte. Beispiele für benannte Schwerter, die noch existieren, sind das Krönungsschwert der französischen Könige,
Joyeuse, und das Schwert Eduard des Bekenners,
Curtana. Es heißt auch
Sword of Mercy, Schwert der Barmherzigkeit. Um dem Ausdruck zu verleihen, ist seine Klinge stumpf. Es ist Teil der britischen Kronjuwelen.
Daneben gibt es zahlreiche sagenhafte Schwerter, zum Beispiel:
- Wielands Schwert in der Thidrekssaga, Mimung,
- Dietrich von Berns Schwerter in der Thidrekssaga, Nagelring und Eckesachs,
- Siegfrieds Schwert im Nibelungenlied, Balmung (in der Edda heißt es Gram, im Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner heißt es Notung oder Nothung),
- das Schwert König Artus, Excalibur (auch Caliburn genannt, obwohl dieses eigentlich das Schwert war, welches er aus dem Stein zog),
- die Schwerter der Tafelritter Sir Lancelot, Arondight, und Sir Gawain, Galatine,
- weitere Schwerter aus der nordischen Mythologie: Ridil, Surtalogi, Tyrfing,
sowie auch historische Personen, denen der Besitz eines solchen sagenhaften Schwertes angedichtet wurde:
- Roland, ein fränkischer Graf und einer der zwölf Paladine Karls des Großen, soll das Schwert Durendal besessen haben, welches angeblich heute noch im Fels von Rocamadour steckend besichtigt werden kann.
Eine umfangreiche Liste mit Schwertnamen findet ihr unter
Laboratorium » Namen für Euer Schwert.
Im Falle der beiden Erstgenannten handelt es sich um Reichsschwerter, die als Staatssymbole einer Monarchie die Macht, Stärke und Wehrhaftigkeit eines Reiches darstellten und in der Regel Teil der Kronjuwelen sind. So beinhalten die Reichskleinodien, die Herrschaftsinsignien der Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches, das
Reichsschwert und das
Zeremonienschwert sowie den
Säbel Karls des Großen. Die britischen Kronjuwelen beinhalten fünf Schwerter:
- Das Staatsschwert (Great Sword of State) — ein Breitschwert mit vergoldetem Griff. Die Scheide ist mit purpurrotem Samt umhüllt und mit vergoldeten Platten versehen.
- Das Juwelen-Staatsschwert (Jewelled Sword of State) — gilt als das schönste und wertvollste Schwert der Welt.
- Das Schwert der Barmherzigkeit (Sword of Mercy) — Curtana, siehe oben.
- Das Schwert der spiritualen Gerechtigkeit (Sword of Justice to the Spirituality).
- Das Schwert der richterlichen Gerechtigkeit (Sword of Justice to the Temporality).
Als Zeremonialschwerter der fränkischen Herzöge dienten seit dem 12. Jahrhundert mehrere Schwerter, die jeweils
Fränkisches Herzogsschwert genannt wurden. Das heute noch erhaltene Schwert ließ der Fürstbischof Johann III. von Grumbach während seiner Amtszeit von 1455 bis zu seinem Tod am 11. April 1466 fertigen. Dieses prunkvolle Schwert ist ein Anderthalbhänder mit einem einfarbig roten
Jaspis als Knauf, auf dem querovalen Stichblatt befindet sich das gevierte Würzburger Bischofswappen mit dem Würzburger Rechen, dem Rennfähnlein und zweimal dem schreitenden Mohr mit Rosenstrauß, dem Wappen der Herren von Grumbach. Seit 1803 befindet sich das Schwert in München und ist heute im Besitz der Wittelsbacher Landesstiftung für Kunst und Wissenschaft und löst immer wieder heftige Debatten um die Rückgabe nach Franken beziehungsweise Würzburg aus und wird auch als „Beutekunst“ bezeichnet.
Schwerttypen
In der folgenden Liste stellen wir einige europäische Schwerttypen und schwertartige Blankwaffen vor, derzeit sind es
.
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Bronzezeitliches Schwert
Typ:Einhänder.
Länge:Variabel.
Material der Klinge:Bronze.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn, Bronze, selten Glasflusseinlagen.
Material des Knaufes:Holz / Bein / Horn, Bronze.
Kultur:Europa der Bronzezeit.
Zeit:16. bis 8. Jahrhundert vor Christus.
Die Klingen bronzezeitlicher Schwerter sind zweischneidig, von variabler Länge und Breite sowie in der Regel geschwungen lanzett- bis blattförmig mit einem meist recht breiten Mittelgrat. Aufgrund dieser Formvielfalt werden sie nach der Methode, wie der Griff an die Klinge angefügt ist, in die folgenden Kategorien unterteilt:
Vollgriffschwerter,
Griffzungenschwerter und
Griffplattenschwerter.
Die Griffe der Vollgriffschwerter sind stets aus Bronze gefertigt. Entweder wird das Schwert in einem Stück gegossen oder der Griff wird nachträglich an die Klinge angegossen oder mit Nieten an ihr befestigt. Die hier abgebildeten Schwerter der Aunjetitzer-Kultur aus dem Begleitfund der Himmelsscheibe von Nebra und aus dem rumänischen Apa gehören den Vollgriffschwertern an.
An die Klinge der Griffzungenschwerter ist, wie der Name schon sagt, eine Zunge beziehungsweise Angel (daher heißen sie auch Griffangelschwerter) angegossen, auf die die Grifftülle mitsamt Knauf aus organischem Material aufgeschoben und genietet wird. Das ebenfalls hier abgebildete Schwert vom Typ Mindelheim aus der Hallstattzeit am Ende der Bronzezeit ist ein Griffzungenschwert, das später auch mit eisernen Klingen nach dem gleichen Prinzip gefertigt wurde.
Der letzte Typus, das Griffplattenschwert, ist in einen alten und einen neuen Typ zu unterteilen. Bei dem alten Typ wird zuerst die Klinge wie bei einem Vollgriffschwert ohne Zunge oder Angel gegossen. Danach wird die Grifftülle aus organischem Material, meist ohne Knauf, direkt auf das Ende der Klinge (die sogenannte Griffplatte) geschoben und angenietet. Die neueren Typen gleichen in der Herstellung den Griffzungenschwertern — jedoch bildet der Griff hier keine Tülle sondern wird in Form von zwei bündigen Griffschalen auf die Ober- und Unterseite aufgenietet. Späte Griffplattenschwerter konnten auch schon eine Eisenklinge besitzen.
Griechischer Xiphos
Typ:Einhänder.
Länge:Bis circa 75 Zentimeter.
Material der Klinge:Bronze oder Stahl.
Material des Griffes / Knaufes:Holz / Bein / Horn, Bronze.
Kultur:Griechen und Makedonen.
Zeit:Antikes Griechenland.
Der Xiphos ist ein leichtes, einhändig geführtes Schwert der griechischen Antike und war vom 7. bis zum 4. Jahrhundert vor Christus die Zweitwaffe (neben dem
Xyston, einem Speer) der Infanterie in griechischen und makedonischen Armeen. Sein Knauf aus Stahl oder Bronze ist scheiben- oder zylinderförmig, der Griff besteht aus Holz oder Horn, das Parier aus Stahl oder Bronze ist gerade oder sichelförmig. Die anfangs bronzene, später stählerne Klinge verläuft lanzett- bis blattförmig zu einem spitzen Ort hin und ist zweischneidig, folgt somit dem Design bronzezeitlicher Schwerter. Über ihre gesamte Lange läuft ein Mittelgrat.
Griechischer Kopis
Typ:Einhänder.
Länge:Bis circa 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes / Knaufes:Holz / Bein / Horn, Bronze.
Kultur:Griechen und Makedonen.
Zeit:Antikes Griechenland.
Der Kopis war ab dem 4. Jahrhundert vor Christus die Zweitwaffe (neben dem
Dory und später der
Sarissa, beides Speere) der Kavallarie und der schweren Infanterie, den Hopliten, in griechischen und makedonischen Armeen. Er diente als schweres Hiebschwert, um damit feindliche Schilde und Rüstungen zu brechen. Die asymmetrische Klinge ist einschneidig, nach vorne abfallend gebogen und dort verbreitert. Sie verfügt über einen breiten mittelgrat und einen außermittig nach oben versetzten, spitzen Ort. Eventuell diente dieses Klingen-Design auch dazu, Feinde hinter ihren Schilden treffen zu können. Die Parierstange konnte stark ausgeprägt gerade bis geschwungen oder lediglich auf Metallbacken reduziert sein. Der Griff konnte die Hand völlig umschließen und so als zusätzliche Parierfläche dienen.
Entstanden sein soll der Kopis aus einem altägyptischen Krumm- beziehungsweise Sichelschwert namens
Chepesch. Während der griechischen Kolonisierung des Mittelmeerraumes und insbesondere während der Feldzüge Alexanders des Großen, fand der Kopis von Spanien bis Indien eine weite Verbreitung. Die Iberer zum Beispiel entwickelten ihn zur
Falcata weiter. Dieser Name leitet sich vom Lateinischen
falx für „Sichel“ ab.
Keltisches Latèneschwert
Typ:Einhänder.
Länge:80 bis circa 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Eisen / Stahl.
Material des Griffes / Knaufes:Holz / Bein / Horn, Eisen / Stahl oder Buntmetalle.
Kultur:Keltische Stämme.
Zeit:5. bis 1. Jahrhundert vor Christus.
Die Kelten der Latènezeit schmiedeten ihre Schwertklingen anfangs aus weichem Eisen, weshalb sie bei Benutzung leicht verbogen. Die Klingen sind in der Regel 4 bis 6 Zentimeter breit, gerade, zweischneidig, meist mit spitzem Ort und oft ohne Mittelgrat.
Die Gefäße weisen oft phallische oder anthropomorphe Züge auf, wobei letztere durch einen Knauf mit Gesichtszügen verstärkt werden können.
Keltisches Knollenknaufschwert
Typ:Einhänder.
Länge:Bis circa 100 Zentimeter.
Material:Stahl, selten Glasflusseinlagen.
Kultur:Kelten aus Frankreich, Süddeutschland und der Schweiz.
Zeit:5. bis 1. Jahrhundert vor Christus.
Das Knollenknaufschwert ist von den Kelten der Latènezeit im Raum des östlichen Frankreichs, des südlichen Deutschlands und der Schweiz vollständig aus Stahl hergestellt worden. Als Parierelement dienen zwei Stahlknollen, die zusammen mit den Stahlknollen am Knauf dem Schwert seinen Namen geben. Die Klinge ist schmal, zweischneidig und verjüngt sich zu einem sehr spitzen Ort hin. Über ihre gesamte Lange läuft ein Mittelgrat.
Die wenigen erhaltenen Exemplare wurden fast ausschließlich in Seen oder Flüssen gefunden, weshalb neben der Verwendung im Kampf auch eine rituelle Nutzung zu vermuten ist.
Germanischer Sax
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 50 bis 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn, Metallnieten oder -zwingen.
Kultur:Germanische Stämme.
Zeit:4. Jahrhundert vor Christus bis 10. Jahrhundert nach Christus.
Der Sax (oder Sachs) ist eine einschneidige Hiebwaffe und war bei den Germanen Mittel- und Nordwesteuropas weit verbreitet. Seine lange Einsatzzeit brachte zahlreiche Varianten hervor: Unterschieden werden Kurzsaxe, Schmalsaxe, Breitsaxe und Langsaxe in diversen Ausführungen. Ihre Griffe aus Holz oder Horn wurden in aller Regel durch Nieten oder Zwingen an der Angel befestigt. War ein Knauf vorhanden, konnte dieser mit plastischen Schnitzereien verziert sein, wie Tiergestalten, Gesichtern oder Phallusdarstellungen. Ein Parierelement fehlt, jedoch konnte eine Metallplatte als Stichblatt vorhanden sein. Der Ort der stählernen Klinge liegt mittig, erst bei späten Varianten des Langsaxes wird er außermittig in Richtung der Schneidelinie versetzt. Die Klinge konnte überdies mit diversen Hohlkehlen und Verzierungen versehen sein. Möglichen Verzierungen waren — wie bei allen Waffengattungen — keine Grenzen gesetzt. So trägt der in der Themse bei London gefundene
Sax von Beagnoth eine in Gold tauschierte Inschrift aus Zierelementen und 28 Runen des
angelsächsischen Futhorc (
ᚠ ᚢ ᚦ ᚩ ᚱ ᚳ ᚷ ᚹ ᚻ ᚾ ᛁ ᚼ ᛇ ᛈ ᛉ ᚴ ᛏ ᛒ ᛖ ᛝ ᛞ ᛚ ᛗ ᛟ ᚪ ᚫ ᚣ ᛠ) sowie den Namen des Schmiedes, des „Runenmeisters“ oder des Besitzers:
Beagnoth (
ᛒᛠᚷᚾᚩᚦ).
Alle Saxe konnten als Hauptwaffe oder nach dem Aufkommen der Spatha als Nebenwaffe zu dieser verwendet werden. Die Kurzsaxe konnten zusätzlich als eine Art Dolch dienen.
Römischer Gladius
Typ:Einhänder.
Länge:Bis circa 75 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes / Knaufes:Holz / Bein / Horn / Elfenbein, auch Edelmetalle.
Kultur:Römisches Imperium.
Zeit:3. Jahrhundert vor Christus bis 3. Jahrhundert nach Christus.
Der Gladius wurde aus einem keltiberischen Schwerttyp entwickelt und war in vielen Variationen die Standardbewaffnung der römischen Legionäre, bis dieser von der Spatha abgelöst wurde. Sein Knauf, Griff und das Parierelement sind aus Holz, Horn oder Elfenbein, wobei das Parier als reiner Handschutz vor der eigenen Klinge konzipiert ist und mit einer Metallplatte abschließen konnte. Die stählerne, zweischneidige Klinge ist gerade und verjüngt sich erst kurz vor dem Ort spitz. Über ihre gesamte Lange läuft ein Mittelgrat.
Der kurze Gladius eignete sich gut auf Hieb und Stich in den traditionellen Feldschlachten, die auf engem Raum geführt wurden und bei denen längere Schwerter hinderlich waren.
Germanisch-römische Spatha
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 75 bis 110 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn / Elfenbein, auch Bronze und Edelmetalle.
Material des Knaufes:Metalle, auch Almandineinlagen.
Kultur:Germanische Stämme, Römisches Imperium.
Zeit:1. Jahrhundert vor Christus bis 6. Jahrhundert nach Christus. Als wikingerzeitliche Übergangsformen zum Ritterschwert: 7. bis 11. Jahrhundert nach Christus.
Die Spatha, die ihren Namen wohl wegen der anfänglich spatelförmigen Klinge trägt, wurde offenbar von Germanen und Römern unabhängig voneinander aus jeweils keltischen Schwerttypen der Latènezeit entwickelt.
Allen Varianten gleich sind die parallelen Schneiden der geraden Klinge, die sich erst gegen Ende ihrer Nutzungszeit allmählich zum Ort hin gleichmäßig verjüngt. Der frühe römische Typ ähnelt durch die gleichen Griffelemente oft dem Gladius, ist jedoch länger als dieser mit einem weniger spitzen Ort. Die Klinge konnte auch mit einer Hohlkehle ausgestattet sein. Bevor die Spatha durch römische Fußtruppen eingesetzt wurde, war sie schon bei der Reiterei in Verwendung.
Der frühe germanische Typ hingegen besaß eine sich nicht verjüngende Klinge und einen in der Regel runden, aber scharfen Ort. Die Klinge wies zu Anfang mehrere schmale Hohlkehlen auf, später nur noch eine breite. Das Parierelement und das den Griff abschließende Element waren oft dreiteilig: Außen Metall, innen organische Materialien, die Konstruktionen wurden durch zwei sichtbare Nieten zusammengehalten. Das hintere Element trug den oft halbkreis- oder pyramidenförmigen Knauf aus Metall. Der Griff zwischen den beiden Elementen bestand ebenfalls aus Metall oder einem organischen Material. Später wurden die Griffelemente einteilig geschmiedet oder gegossen.
In der Völkerwanderungszeit wurde die Spatha europaweit verbreitet und es kamen weitere Formen auf, von denen die Ringschwerter (5. bis 7. Jahrhundert) nennenswert sind. Namensgebend sind zwei ineinander gehängte Ringe, die seitlich am Knauf angebracht sind. Die aus Bronze oder Edelmetall bestehenden Ringe sollten den Status oder eine Gruppenzugehörigkeit symbolisieren.
Ab dem 7. Jahrhundert begann schließlich der Übergang der klassischen Spatha zu den wikingerzeitlichen Schwertern, den sogenannten Wikingerschwertern, Vorläufer des Ritterschwertes. Einen besonderen Typ stellen die Ulfberht-Schwerter dar, die vom 8. bis zum 11. Jahrhundert auf dem Gebiet der Rheinfranken gefertigt und schnell zu einer Art Handelsmarke wurden. Die Schwerter dieses Typs zeichneten sich durch hohe Qualität und durch den Schriftzug
+VLFBERHT+ auf der Klinge aus und waren eine begehrte Handelsware. Der eingelegte Schriftzug existiert in vielen Variationen, wie
+VLFBERH+T oder
VLFBERH+T. Die Marke wurde aufgrund ihrer Beliebtheit von Fälschern imitiert und animierte auch Nachahmerprodukte, wie
INGELRII oder
LEUTFRIT.
Europäisches Ritterschwert
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 90 bis 130 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn mit Metalldraht oder Leder umwickelt, auch Edelmetalle.
Material des Knaufes:Stahl, auch Bunt- und Edelmetalle oder Edelsteine.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:10. bis 15. Jahrhundert nach Christus.
Die heute geläufigen Namen dieses Schwerttyps wie
Ritterschwert,
Kampfschwert oder
Breitschwert sind modernen Ursprungs, der ursprüngliche Name war einfach
Schwert in der jeweiligen Landessprache.
Entstanden ist das Ritterschwert aus den wikingerzeitlichen Nachfolgern der Spatha. Seine stets zweischneidige Klinge wies in der Regel einen spitzen Ort auf, so dass es für Hieb und Stich gut geeignet war. Beidseitige Hohlkehlen sorgten für eine optimale Gewichtsverteilung und eine gute Handlage. Gravuren oder Edel- / Buntmetalleinlagen in der Klinge waren durchaus möglich, aber nicht die Regel. Jedoch blieben einige Beispiele für derlei Verzierungen erhalten, wie das
Schwert von Tschlin-Vinadi, in das eine nicht zu deutende Formel gepunzt ist:
+NRF(?)NIATE(D)NIATEDIATEDI+. Die Form des Gefäßes fiel regional sehr unterschiedlich aus. So war es üblich, europaweit gehandelte Klingen vor Ort mit den regional geläufigen Parierstangen, Griffen und Knäufen zu versehen. War das Schwert als Standes- oder Zeremonialwaffe gedacht, waren den Ausschmückungen keine Grenzen gesetzt — so wie bei allen anderen Schwerttypen auch.
Getragen wurde dieser Schwerttyp vornehmlich vom Schwertadel, den Rittern, wovon sich auch der moderne Name Ritterschwert ableitet. Es war für sie nicht nur eine Waffe, sondern auch ein Statussymbol, das sie als freie Männer kennzeichnete. Wer aus kostengründen kein Schwert tragen konnte, musste auf günstigere Waffengattungen ausweichen.
Das älteste bekannte Fechtbuch, das
Manuskript I.33 (siehe Abschnitt
Schwertfechten auf dieser Seite), befasst sich ausschließlich mit dem Fechten unter Verwendung dieses Schwerttyps.
Europäisches Falchion
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 80 bis 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn mit Metalldraht oder Leder umwickelt.
Material des Knaufes:Stahl oder Buntmetalle.
Kultur:Europäische Reiche (vor allem England, Frankreich und Italien).
Zeit:13. bis 16. Jahrhundert nach Christus.
Dieser Schwerttyp besticht durch seine äußerst vielfältigen Klingenformen, die zeitgleich auftraten und deren Gefäße ebenso über eine enorme Formvielfalt verfügen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Erscheinungsformen ist es unklar, ob alle Falchione Eigenentwicklungen ihres späteren Verbreitungsgebietes sind, sie von griechischen, römischen sowie iberischen Vorläufern abstammen oder sie in der Zeit der Kreuzzüge von orientalischen Klingen beeinflusst wurden.
Grundlegend werden zwei Klingenformen unterschieden: eine breite Machetenklinge (auch mit diversen Ausbuchtungen) sowie eine schlanke Hechtklinge, wie sie auch beim
Langen Messer verwendet wird. Ihnen gemein ist, dass sie in aller Regel einhändig geführt werden und trotz selten angebrachter Rückschneiden stets einschneidig sind. Ihr Ort ist von variabler Erscheinung, liegt aber immer außermittig in Richtung der kurzen Schneide versetzt. Die Klingen aller Falchione können zusätzlich mit Hohlkehlen versehen sein, ihre Gefäße gleichen im Aufbau prinzipiell denen der zuvor genannten
Ritterschwerter.
Falchione mit breiten Machetenklingen wurden im deutschen Sprachraum oft
Malchus genannt und konnten eine kantige sowie eine bauchig-abgerundete Form aufweisen. Der letztgenannten Form gehört auch das abgebildete englische
Conyers-Falchion an, welches aus dem 13. Jahrhundert stammend in der Kathedrale von Durham gefunden wurde und seither auch dort aufbewahrt wird. Sein Name stammt von der Legende, Sir John Conyers hätte im Jahre 1063 mit ihm den Sockburn-Wurm (eine
fliegende Feuerschlange, das Getier auf dem Knauf ist ein Abbild davon) erschlagen. Ungewöhnlich anmutende Arten der breiten Klingenform werden in der
Morgan-Bibel aus dem 13. Jahrhundert gezeigt. Da diese Formen jedoch archäologisch nicht gesichert sind, könnten sie auch bloß ein Produkt der künstlerischen Freiheit sein.
Über die schlanke Hechtklinge verfügt das ebenfalls abgebildete und aus dem 14. Jahrhundert stammende
Thorpe-Falchion, das in England im Fluss Yare im namensgebenden Dorf Thorpe Saint Andrew gefunden wurde. Formgleich ist ein Falchion, welches dem Hortfund der französischen
Castillon-Schwerter aus der Mitte des 15. Jahrhunderts angehört.
Deutsches Messer
Typ:Einhänder oder Zweihänder, je nach Größe.
Länge:Langes Messer: circa 75 bis 115 Zentimeter, Großes Messer / Kriegsmesser: bis circa 150 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz oder Horn.
Material des Knaufes:Stahl oder Buntmetalle.
Kultur:Heiliges Römisches Reich.
Zeit:Langes Messer: 13. bis 16. Jahrhundert nach Christus, Großes Messer / Kriegsmesser: 16. bis 17. Jahrhundert nach Christus.
Konstruktionsbedingt zählen die Messer nicht zu den Schwertern, sodass diese Waffengattungen auch von Messerschmieden hergestellt werden konnten, denen nach dem Gildenrecht das Schmieden von Schwertern nicht zustand. Auf diese Weise wurden lange, schwertähnliche Waffen zur Selbstverteidigung auch für den Normalbürger erschwinglich. Ein Schwerttyp, der die gleiche schlanke Hechtklinge nutzt, ist das
Falchion.
Das Lange Messer ist eine Weiterentwicklung „gewöhnlicher“ Messer mit langen Klingen, aber ohne Parierelementen (wie dem
Dussack-Messer), die zusammen mit Sensen, Sicheln, Heugabeln und Dreschflegeln als
Bauernwehren bezeichnet wurden. Es besitzt eine gerade, einschneidige Klinge. Der Klingenrücken ist einige Zentimeter vor dem Ort eingebuchtet und konnte auch auf bis zu einem Drittel seiner Länge geschärft sein, was
Rückschneide genannt wird. Neben einer vielförmigen Parierstange, verfügten die meisten Messer über ein weiteres Parierelement, das
Rüstnagel oder
Wehrnagel genannt wird. Dieser Nagel konnte aus einem einfachen Stift, einer Platte, einem Ring oder einer muschelförmigen Halbschale bestehen und stand an einer Seite des Messers senkrecht auf der Mitte der Parierstange. Da Messer die Waffen des einfachen Volkes waren, sind historische Exemplare in der Regel schmucklos.
Das später entstandene Große Messer oder Kriegsmesser verfügte über die gleichen Eigenschaften wie das Lange Messer — bis auf zwei Attribute seiner Klinge: sie war säbelartig gebogen und länger. Das Große Messer wurde weiterhin zur zivilen Selbstverteidigung genutzt, daneben führten es aber auch Landsknechte in Kriegseinsätzen.
Zahlreiche Fechtbücher widmen sich dem Fechten mit dem Langen Messer.
Europäischer Anderthalbhänder
Typ:Zweihänder, der je nach Bedarf auch mit einer Hand gefasst werden kann.
Länge:Circa 100 bis 140 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz / Bein / Horn mit Metalldraht oder Leder umwickelt, auch Edelmetalle.
Material des Knaufes:Stahl, auch Bunt- und Edelmetalle oder Edelsteine.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:13. bis 17. Jahrhundert nach Christus.
Dieser sehr uneinheitliche Schwerttyp wurde in den Quellen oft
Langes Schwert genannt, eine heutige Bezeichnung ist neben
Anderthalbhänder auch
Bastardschwert.
In der frühen Phase dieses Schwerttyps unterschied sich die Klinge nicht wesentlich in Länge und Aussehen von der des Ritterschwerts — nur der Griff war etwas länger, so dass mit der zweiten Hand bei Bedarf nachgegriffen werden konnte, um die Hieb- oder Stichkraft zu steigern, und war oft mit einer mehr oder weniger mittigen Verdickung in zwei Teile geteilt. Diese Übergangsformen werden heutzutage oft Bastardschwerter genannt. Später wurde auch die Klinge länger und vor allem schmaler, die Verwendung kehrte sich von der Hiebwaffe mehr in Richtung Stichwaffe. Zudem verlängerte sich auch der Griff noch einmal, da mit der linken Hand kein Schild mehr geführt werden musste und sie ihren festen Platz am Knauf bekam.
Damit der Knauf einfach mit der Hand umfasst werden konnte, wurden breite Formen wie der Scheibenknauf zugunsten schmaler und länglicher Formen zunehmend aufgegeben. Häufig sind birnen- beziehungsweise tropfen- sowie fischschwanzförmige oder achteckig-facettierte Knäufe.
Das Lange Schwert ist in der Deutschen Fechtschule nach Liechtenauer die prominenteste Waffengattung, häufig in Form der
Fechtfeder (siehe Abschnitt
Schwertfechten auf dieser Seite). Über Jahrhunderte hinweg widmeten sich viele Fechtbuch-Autoren dem Erhalt und der Verfeinerung der Techniken, welche in zahlreichen Fechtschulen gelehrt wurden, bis sie im 17. Jahrhundert zusammen mit dem Langen Schwert von der Bildfläche verschwanden.
Europäischer Zweihänder
Typ:Zweihänder.
Länge:Variabel, bis circa 200 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Stahl, Holz / Bein / Horn mit Metalldraht oder Leder umwickelt, Textilien, Wollfransen.
Material des Knaufes:Stahl.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:Als Anderthalbhänder seit dem 13. Jahrhundert nach Christus, Zweihänder des Typs „Gassenhauer“ vom 15. bis Ende des 17. Jahrhundert nach Christus.
Dieser, wie der Anderthalbhänder zuvor, ebenfalls sehr uneinheitliche Schwerttyp zeichnet sich durch eine enorme Formvielfalt aus. Prinzipiell lassen sich alle Anderthalbhänder ebenfalls in der Kategorie Zweihänder führen.
Gegen Ende des Spätmittelalters entwickelten sich die
Gassenhauer, sehr lange und schwere, immer zweihändig geführte Schwerter, die sich von den bisherigen Zweihändern deutlich unterschieden. Typisch waren sehr lange Griffe (etwa vier Handbreiten des Trägers), sehr lange Parierstangen, Parierhaken und Fehlschärfen. Weitere Namen dieser Schwerter sind
Bidenhänder und
Schlachtschwerter sowie
Flamberge, wenn die Klingen ganz oder teilweise geflammt, das heißt flammenförmig gewellt waren. Der Ursprung geflammter Klingen soll in der mittelalterlichen Schweiz liegen. Dort sind auch Nachweise vorhanden, dass Schwerter wie die Flamberge tatsächlich im Kampf eingesetzt wurden: An Gebeinen bei der
Schlacht bei Dornach im Schwabenkrieg am 22. Juli 1499 Gefallener, lassen sich Verletzungen erkennen, die nur durch eine geflammte Klinge verursacht worden sein konnten.
Landsknechte und Söldner, die im Umgang mit dem Gassenhauer geschult waren und von einer Fechtschule den
Meisterbrief vom Langen Schwert ausgestellt bekamen, wurden Doppelsöldner genannt, weil sie dadurch den doppelten oder auch mehrfachen Sold gewöhnlicher Soldaten erhielten. Der gefährliche Umstand, in der vordersten Reihe kämpfen zu müssen, verhinderte jedoch oft die Auszahlung.
Regional formten die großen Zweihänder des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit diverse Ausprägungen: In Deutschland und England waren die links und rechts abgebildeten Typen populär, in Schottland zusätzlich noch das unten mittig gezeigte zweihändige
Claymore (von schottisch-gälisch
claidheamh mór, was „großes Schwert“ bedeutet; ebenfalls
Claymore wird ein ab dem 17. Jahrhundert einhändig geführtes Schwert mit Korbgriff genannt, das das zweihändige Claymore verdrängte und der italienischen
Schiavona gleicht), dessen Parierelement weit V-förmig nach vorne zeigt. Auf der iberischen Halbinsel wurde das
Montante geführt, das optisch den deutschen Typen ähnelt, jedoch leichter und mit schmalerer und ungeflammter Klinge ausgeführt ist und zudem über große Parierringe und — wenn überhaupt — mit dreieckigen Parierdornen anstatt der Parierhaken ausgestattet ist. Dem iberischen Typ wiederum ähnelt das italienische
Spadone a due mani.
Zur Verwendung dieser großen Schwerter gibt es ausschließlich italienische, portugiesische und spanische Quellen. In frühen italienischen Aufzeichnungen wird das Fechten Mann gegen Mann erwähnt, in späteren sowie in denen der anderen genannten Nationen werden die Zweihänder in weitreichenden, flüssigen Kreisbewegungen geschwungen, so dass ein möglichst großer Raum bestrichen und Gruppen von Gegnern abgewehrt werden konnten, womit die Bezeichnung „Gassenhauer“ zu erklären ist.
Europäischer Dussack
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 50 bis 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl / Holz / Leder.
Material des Griffes:Stahl / Holz / Leder.
Material des Knaufes:Stahl / Holz / Leder.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:15. bis 17. Jahrhundert nach Christus.
Der Dussack entstand wahrscheinlich als langes Gebrauchs- und Jagdmesser im Königreich Böhmen. Von hier verbreitete er sich über die Hussitenkriege in den Rest des Heiligen Römischen Reiches und schließlich weiter über ganz Europa. Seine Klinge ist immer einschneidig, kann aber in allen folgend genannten Arten auch mit einer Rückschneide versehen sein. Sein Name geht auf das tschechische Wort für „Reißzahn“
tesák zurück.
Es gibt maßgeblich drei Versionen:
Die erste, links abgebildete Version — das
Dussack-Messer — ist ein langes, aber einfaches Messer mit gerader oder gekrümmter, einschneidiger Klinge, dessen Erl zu einem Handgriff gebogen wurde. Es wurde in erster Linie für Arbeiten im Haus, auf dem Feld, im Wald und auf der Jagd gebraucht. Neben anderen
Messern und dem
Sensenschwert diente es aber auch als
Bauernwehr.
Die zweite, in der Mitte abgebildete Version — das
Dussack-Seitschwert — ist eine einfache Hieb- und Stichwaffe, um auch größere Truppenteile kostengünstig für den Kriegseinsatz zu rüsten. Es verfügt über eine einschneidige, säbelartig gekrümmte Klinge, die mehrere Hohlkehlen aufweisen kann. In einfachen Varianten besteht das Parier nur aus einer Parierstange, in komplexeren Ausführungen sind aber auch ein Handschutz, Parierbügel und Parierringe möglich. Neben
Messern,
Rapier-Seitschwertern und
Katzbalgern war es eine bevorzugte Seitenwaffe der einfachen Fußtruppen sowie die Nebenwaffe spezialisierter Truppenteile wie Musketieren und Kanonieren.
Die dritte, rechts abgebildete Version — der
Fecht-Dussack — ist eine sehr simpel gearbeitete, zuallermeist stumpfe Fechtwaffe der deutschen Fechtschulen. Sie wurde in zahlreichen Ausführungen einteilig aus Stahl, Holz oder sogar aus festem Leder hergestellt. Der Griff ist lediglich ein aus dem Material herausgearbeitetes ovales Loch. Um die Griffigkeit zu erhöhen, kann die von der Hand umfasste Fläche mit Stoff oder Leder umwickelt sein. In der Stahlausführung kann der Griff auch wie beim Dussack-Messer durch das Umbiegen des Erls geformt worden sein. Zusätzlich können hier auch Griffschalen wie bei einem Messer aufgenietet werden. In Paul Hector Mairs Fechtbuch wird er
Duseggen genannt und seine Verwendung im ersten Band behandelt.
Europäisches Rapier-Seitschwert
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 100 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz.
Material des Knaufes:Stahl.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:15. bis 17. Jahrhundert nach Christus.
Das Rapier-Seitschwert ist ein aus Italien stammendes, schlankes, einhändig geführtes Schwert, das den Übergang vom mittelalterlichen Ritterschwert hin zum stichoptimierten Rapier-Degen bildet. Dem Rapier-Seitschwert ähnlich ist die später entwickelte italienische
Schiavona, die aber schon einen komplexeren Korb besaß.
Im Vergleich zum Ritterschwert zeichnet sich das Rapier-Seitschwert durch eine schlankere Klinge und ein komplexeres Parier aus. Normalerweise finden sich hier neben der obligatorischen geraden Parierstange verschiedene Kombinationen von Zusatzelementen wie Fingerringen, Parierringen, Klingenbügeln und Faustbügeln. Im Vergleich zu den späteren Rapier-Degen sind die Gefäße aber noch deutlich weniger vollständig. Auch die Klinge ist noch nicht so lang, schmal und stichoptimiert wie beim Rapier-Degen. Die Klinge eines Rapier-Seitschwerts ist scharf geschliffen und noch gut für den Hieb geeignet.
Beim Fechten mit dem Rapier-Seitschwert kommen auch verschiedene Accessoires zum Einsatz. So wurde vor allem der Parierdolch, aber auch Schilde wie Buckler, Targe und Rotella sowie der Mantel eingesetzt. Selten benutzten die Fechter auch je zwei Rapier-Seitschwerter.
Deutsches Sensenschwert
Typ:Einhänder.
Länge:Variabel.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Stahl oder Buntmetalle wie Bronze oder Messing.
Material des Knaufes:Stahl oder Buntmetalle wie Bronze oder Messing.
Kultur:Heiliges Römisches Reich.
Zeit:15. bis 16. Jahrhundert nach Christus.
Das Sensenschwert war eine in Bauernaufständen häufig genutzte Bauernwehr. Hierfür wurde das Blatt einer gewöhnlichen Sense geringfügig umgeschmiedet und mit einem Gefäß versehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Blankwaffen mit gebogenen Klingen, liegt die Schneide des Sensenblattes jedoch auf der Innenseite der Rundung und nicht auf der Außenseite. Das Anbringen einer Rückschneide war möglich, aufgrund des Aufbaus des Sensenblattes aber nicht sehr effektiv.
Das einzig erhaltene Exemplar eines Sensenschwerts, für das offensichtlich ein echtes Sensenblatt umgeschmiedet wurde, ist das des Reformators
Thomas Müntzer. Offenbar verwendete er es nicht aus Not, wie die übrigen Bauern, sondern es war das Symbol seines Kampfes für die soziale Besserstellung des Bauernstandes. Es ist reich verziert und besitzt auf der rechten Seite der Klinge einen eingravierten Runenkalender, der auf dem Mondzyklus basiert.
Eine weitere aus der Sense gefertigte Waffe war die
Kriegssense oder
Sturmsense, eine Stangenwaffe mit geradem Sensenblatt. Nach dem Ende des
Deutschen Bauernkrieges 1525, wurde das Umschmieden von landwirtschaftlichen Geräten zu Waffen bei Todesstrafe verboten, weshalb im Fechtbuch von Paul Hector Mair, das auch Bauernwehren behandelt, mit gewöhnlichen Sensen gefochten wird (siehe Abschnitt
Schwertfechten auf dieser Seite). In den nachfolgenden Bauernaufständen wurden natürlich trotz des Verbots weiterhin landwirtschaftliche Werkzeuge zu Kriegsgeräten umgeschmiedet, insbesondere Kriegs- oder Sturmsensen wurden regional bis ins 19. Jahrhundert verwendet.
Europäischer Katzbalger
Typ:Einhänder.
Länge:Circa 70 bis 80 Zentimeter.
Material der Klinge:Stahl.
Material des Griffes:Holz.
Material des Knaufes:Stahl und Buntmetalle wie Bronze oder Messing.
Kultur:Europäische Reiche.
Zeit:16. bis 17. Jahrhundert nach Christus.
Der Katzbalger war die Nahkampfwaffe der Landsknechte und anderer Söldnergruppen, wie die schweizer „Reisläufer“. Arkebusenschützen sowie frühe Musketiere nutzten den Katzbalger neben dem Rapier-Seitschwert als Nebenwaffe.
Der Katzbalger verfügt über eine verhältnismäßig kurze, breite Klinge, die zum Ort hin schmaler auf eine abgerundete Spitze zuläuft. Die Parierstange ist oft S- oder 8-förmig gebogen und an ihren Enden mit kleinen Knäufen besetzt. Bei manchen Versionen ist ein Handschutzbügel angebracht, der bis zum fächerförmig ausgearbeiteten Knauf läuft. Ab etwa 1590 wurden die Klingen länger und der Griff mit einem Korb ausgestattet. Sie wurden durch die italienische
Schiavona beeinflusst, die dann auch den Katzbalger ersetzte.
Ihren Namen verdanken diese Schwerter dem engen Nahkampf, in dem sie eingesetzt werden, der an die Balgerei kämpfender Katzen erinnert. An den Scheiden der Katzbalger sind oft Nebenfächer angebracht, in denen Messer, Gabel und Pfriem mitgeführt werden konnten. Solche Scheiden wurden
Besteckscheiden genannt.
Schwertfechten
Das Fechten mit einer Vielzahl von Waffengattungen wurde nachweislich ab dem 13. Jahrhundert (aber gewiss auch schon davor) in Fechtschulen betrieben und das Wissen um die verschiedenen Fechttechniken in Fechtbüchern festgehalten. Es diente weniger der sportlichen Betätigung als der ritterlichen Ausbildung für Kampf und Turnier, der Ausbildung von Edelknechten und nicht-ritterständiger Kämpfer für Kriegseinsätze und zur Vorbereitung auf Gerichtszweikämpfe. Seine Blütezeit erlebte das Schwertfechten zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert. In der Mitte des 17. Jahrhunderts starb das klassische Schwertfechten aus, als sich das Rapierfechten nach italienischem Vorbild durchsetzte. So sind die althergebrachten Bewegungsabläufe des Schwertfechtens unbekannt und müssen aus den Abbildungen und Erklärungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Fechtbücher rekonstruiert werden, was einen gewissen Interpretationsspielraum birgt.
Das älteste bekannte Fechtbuch ist das sogenannte
Manuskript I.33, das vermutlich um das Jahr 1300 von einem Geistlichen namens Liutger im Raum Würzburg in lateinischer Sprache, mit eingestreuten deutschen Fachbegriffen, geschaffen wurde und Techniken mit dem Einhandschwert und dem Faustschild (Buckler) erläutert. In der Mitte des 14. Jahrhunderts tat sich der Fechtmeister
Johann Liechtenauer besonders hervor. Seine Techniken mit dem Langen Schwert (damals die gebräuchliche Bezeichnung für heute Anderthalbhänder genannte Schwerter) beeinflussten alle nachfolgenden Generationen, so dass er als Begründer der
Deutschen Fechtschule gilt. Fechtbücher aus seiner Hand sind nicht erhalten, nur seine Merkverse „Die Kunst des Fechtens“ in zwei Teilen wurden in einer Handschrift von 1389 überliefert. Jedoch beschrieben zahlreiche Fechtmeister, die der Tradition Liechtenauers folgten, seine Techniken in Wort und Bild. Einer der bekanntesten Autoren ist
Hans Talhoffer, der in seinen Fechtbüchern einige Techniken Liechtenauers abwandelte und so seinen eigenen Stil entwickelte, welcher jedoch weniger Einfluss nahm als der Stil Liechtenauers.
Ein bedeutendes Kompendium, das alle zur Zeit seiner Entstehung bekannten Fechttechniken detailliert in Wort und Bild aufzeigt, wurde um 1544 von
Paul Hector Mair in Auftrag gegeben. In seinem umfangreichen Vorwort hob er das
Fechten als Kunst hervor und mahnte, dass diese wie andere Künste aus Faulheit und Nachlässigkeit aussterben werden, was er zu verhindern suchte. In der danach folgenden Geschichte des Fechtens sucht man zwar den Namen Liechtenauer vergeblich, dass Mair aber ein Schüler der Lehre Liechtenauers war, erkennt man nicht nur an den Techniken und Begriffen sondern auch an den Merkversen, beginnend mit dem Leitvers der ritterlichen Werte, die in Mairs Zeit zu schwinden begannen:
Jung Ritter Leren Gott lieb haben, Frawen und Junckhfrawen Eern,
so wechst dein Lerrn / Unnd Leren ding das sich zieret / Unnd inn kriegen seer hoffieret /
Rinngens guote fesser / Glorien schwert unnd messer / Mannlichen bederben /
Unnd inn anndern hennden verderben / Haw darein unnd triffe / darlasse hen⸗
gen unnd lasse far / das man dein weÿß / mög Maisterlichen Preÿß ·
Drei jeweils zweibändige Ausgaben seines Kompendiums sind erhalten: eine lateinische, eine deutsche und eine synoptisch lateinisch-deutsche. Die deutsche und gleichzeitig kürzeste Ausgabe behandelt im ersten Band hauptsächlich das Bloßfechten mit dem Langen Schwert (in den Abbildungen benutzen die Fechter stets die
Fechtfeder), jedoch auch den Kampf mit dem Dussack (Bezeichnung im Buch:
Duseggen), dem Stab
(Stenglin), dem Langspieß, der Hellebarde, der Sense
(Seges), dem Dreschflegel
(Trischel), der Keule beziehungsweise dem Knüppel
(Baurnstangen) und der Sichel. Damit wird den Bauernaufständen des 15. und 16. Jahrhunderts Rechnung getragen, in denen das einfache Bauernvolk diese simplen Bauernwehren verwendete, indem Techniken erläutert werden, um sich effektiv gegen diese Waffen zur Wehr zu setzen. Noch vor der Sichel behandelt dieser Teil Techniken beim aufeinandertreffen verschiedener Waffengattungen, wobei noch der Spieß
(Schefftlin), der Dolch und die Saufeder
(Schweinspieß) Erwähnung finden. Der zweite Band behandelt den Dolch, das Ringen, den
Rapier, die
Mordaxt, den
Kampf mit Spieß und Schild, den Kampf im Harnisch zu Fuß (Langschwert und Dolch) und den
Kampf zu Pferd.
Diese Ausgabe ist im Besitz der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden, das Digitalisat ist hier einzusehen:
Fecht-, Ring- und Turnierbuch — Mscr. Dresd. C. 93 / 94
Ein leicht lesbarer Auszug der Techniken inklusive der 120 Stände mit dem Langen Schwert aus dem ersten Teil ist über diesen Link als PDF verfügbar:
Paul Hector Mair — Kunstfechtbuch — Die 120 Stände mit dem Langen Schwert (6,18 MB)
Die folgende Nomenklatur stammt teilweise aus der deutschen Ausgabe des Fecht-Kompendiums von Paul Hector Mair und folgt den Techniken Liechtenauers für das Lange Schwert:
Wer sich in die ritterliche Kunst des Schwertfechtens begeben will, muss zunächst die folgenden vier Eigenschaften besitzen: die Stärke eines unverzagten Löwen, die Scharfsicht eines Adlers, die Schnelligkeit eines Luchses und die List eines Fuchses.
Die Grundstellung der Fechter wird
Hut genannt. Von diesem Wort leiten sich die Redewendungen „Sei auf der Hut!“ und „Hüte dich!“ her. In der Tradition Liechtenauers heißen die vier wichtigsten Huten
Ochs,
Pflug,
Alber und
vom Tag. Daneben gibt es aber noch einige weitere Huten wie zum Beispiel das
Brechfenster (Prechfennster), der
Eber, das
Einhorn (Einkiren), die
Schranke (Schrannckhut) und das
Sprechfenster sowie die bei Mair nicht explizit genannten Huten
Nebenhut,
Schlüssel und die
Zornhut. Die Huten können auch als
Leger bezeichnet werden, demnach sind die Huten Ochs, Pflug, Alber und vom Tag die
Hauptleger.

Die Körperhaltung der Fechter unterteilt sich in die
drei Wagen: Steht der Fechter aufrecht mit beiden Beinen zusammen, nennt man dies die
obere Wag, steht er hingegen leicht nach vorne gebeugt mit geöffneter Beinstellung, spricht man von der
mittleren Wag. Ist der Fechter jedoch stark nach vorn gebeugt oder gar geduckt, wird dies die
untere Wag genannt.
Das Schwert ist in zwei Teile, die
Stärke und die
Schwäche, unterteilt. Die Stärke ist die untere Hälfte vom Knauf bis zur Klingenmitte, da mit ihr die gegnerischen Schläge kraftvoller pariert werden können. Dem entgegengesetzt ist die obere Hälfte von der Klingenmitte bis zum Ort die Schwäche, die mehr offensiv als defensiv genutzt wird. Die dem Fechter zugewandte Schneide heißt
Kurze Schneide, die abgewandte Schneide
Lange Schneide.
Der Schlag oder Hieb mit dem Schwert heißt
Hau oder in alter Literatur
Haw (das w war ursprünglich ein doppeltes u, so wie es im Englischen auch heute noch heißt). Ein von oben nach unten geführter Schlag heißt
Oberhau, ein gegenläufig geführter Schlag von unten nach oben
Unterhau. Wird ein Schlag zuerst von unten nach oben und hernach von oben nach unten (oder umgekehrt) geführt, spricht man von einem
Wechselhau. Ein horizontal geführter Schlag wird
Mittelhau genannt. Die fünf bedeutendsten Haue nach Liechtenauer, die später auch
Meisterhaue genannt wurden, sind (in Klammern die Bezeichnungen in Paul Hector Mairs Kompendium):
Zornhau (Zorenhaw),
Krummhau oder
Krumphau (Krumphaw),
Zwerchhau (Zwirchhaw),
Schielhau (Schillerhaw) und
Scheitelhau (Schaitlerhaw). Eine Sonderstellung nimmt der
Mordhau ein, welcher auch
Mordschlag oder
Donnerschlag genannt wird. Bei diesem wird das Schwert mit beiden Händen an der Klinge gefasst und der Schlag mit dem
Gehilz (auch
Gefäß genannt, ein Sammelbegriff für Parier, Griff / Heft und Knauf) ausgeführt. Mair nennt diesen Hau erst im 2. Band namentlich (mehrmals, zuerst in Stück 7 von „Der Kampf Inn dem Spieß unnd der schneidenden Tartschen“), in Stück 115 ist er jedoch abgebildet und beschrieben.
Neben den Hauen können mit dem Schwert auch Stiche und Schnitte gesetzt werden, was zusammen als die
Drey Wunder bezeichnet wird. Daneben gibt es noch den Stoß, der mit dem Knauf ausgeführt wird. Eine komplexe Abfolge von aus Hauen, Schnitten, Stichen und Stößen bestehenden Angriffen sowie den entsprechenden Abwehrbewegungen wird
Stück genannt. Die wichtigsten Stücke heißen
Hauptstücke, zu denen auch die Huten gezählt werden können, wenn die Stücke mit diesen beginnen. Weitere Stücke, beziehungsweise Bestandteile von Stücken, sind zum Beispiel das
Nachreisen,
Überlaufen,
Schwertnehmen,
Einschießen,
Abnehmen,
Winden,
Durchlaufen,
Ringen,
Zucken, der
Wurf, das
Einfallen,
Ansetzen,
Hängen,
Oberhängen,
Brechfenster,
Einwinden,
Abwinden,
Anbinden,
Aufsitzen, der
Fehler,
Verkehrer, das
Überfallen,
Einbrechen und viele weitere mehr. Das Fecht-Kompendium von Paul Hector Mair erwähnt ferner noch 8
Kampfstücke des Langen Schwerts, die alle in Halbschwert-Technik ausgeführt werden. Hierbei wird das Schwert entweder mit einer Hand am Griff und
einer Hand an der Klinge oder mit beiden Händen an der Klinge gefasst.

Jeder Mensch besitzt
sechs Schwächen an beiden Seiten seines Körpers. Diese sind am Kinn, vorne am Hals (Kehle), am Ellenbogen, an der Faust, in der Mitte des Armes (Ellenbeuge) und in der Kniebeuge. Weiterhin wird der Körper durch die Medianlinie und die Gürtellinie in
vier Blößen unterteilt. Für die Fechter gilt es während des Kampfes, die Schwächen des Gegners zu öffnen, ihm also eine sprichwörtliche Blöße zu geben, und mit den drey Wundern Hau, Stich, Schnitt und zusätzlich dem Stoß zu bedrohen, ohne sich selbst eine Blöße zu geben. Wichtige Prinzipien sind hierbei die Merkworte
Vor,
Nach und
Indes.
Vor bezeichnet die Phase, in der
Fechter 1 die Initiative hat und
Fechter 2 bedroht.
Nach die Phase, in der
Fechter 2 den Angriff von
Fechter 1 abgewehrt hat und
Fechter 1 nun versuchen muss, seinerseits den Angriff von
Fechter 2 abzuwehren und die Initiative (das
Vor) wieder zu ergreifen. Dies kann er
Indes (gleichzeitig) tun, indem er beispielsweise seine Klinge an die Klinge von
Fechter 2 bindet (das
Anbinden, der Kontakt Klinge an Klinge) und mittels des
Winden seine Klinge um die Klinge von
Fechter 2 herum windet, um mit seinem Ort eine Blöße von
Fechter 2 zu treffen und gleichzeitig
(Indes) die gegnerische Klinge immer noch im Band kontrollieren, also abwehren zu können.
In aller Munde
Wir sehen: Obwohl militärisch bedeutungslos, dienen Bogen wie Schwert bis heute als Sportgeräte und haben nichts von ihrer magischen Anziehungskraft eingebüßt!
Darüber hinaus sind Bogen und Schwert sowie das Schieß-, Turnier- und Fechtwesen bis in die heutige Zeit sprichwörtlich in aller Munde, wie wir im letzten Abschnitt lesen konnten: Nicht nur „auf der Hut sein“ und „sich eine Blöße geben“ haben ihren Ursprung in den genannten Disziplinen. Folgend einige Beispiele.
Sprichwörter aus dem Schießwesen
Den Bogen raus haben:Etwas gut können, mit etwas gut umgehen können.
Den Vogel abschießen:Erfolgreich sein, etwas passendes, treffendes sagen oder tun — sowie das Gegenteil davon — etwas sehr dummes sagen oder tun. Geht auf das Schießwesen und die Ambivalenz des Vogelschießens zurück. Einerseits war es ein Erfolg, den Vogel abzuschießen, andererseits war dieser Erfolg meist aber auch mit hohen finanziellen Verpflichtungen verbunden, so dass häufig erst ein Dummer gefunden werden musste, der den Vogel abschießen möchte.
Einen Bock schießen:Einen Fehler begehen. Geht auf das Schießwesen zurück, in dem ein „Bock“ ein Fehlschuss bedeutet, da männliche Tiere hormonell bedingt häufig minderwertiges Fleisch liefern. Eine moderne Variante ist „eine Fahrkarte schießen“, wobei die Zielscheibe — außerhalb der Ringwertung getroffen — wie eine gelochte, entwertete Fahrkarte aussieht.
Etwas auf der Pfanne haben:Bedeutet, wie in der Kurzform „etwas draufhaben“ auf „Anhieb“ erkennbar, etwas gut können, mit etwas gut umgehen können. Geht auf das Schießwesen zurück, in dem ein Schütze, der Pulver auf der Pfanne hat, fähig und brauchbar ist.
Etwas auf’s Korn nehmen:Sich einer Sache annehmen beziehungsweise etwas eingehend überprüfen. Geht auf das Schießwesen zurück, in dem die vordere Zieleinrichtung am Lauf einer Armbrust oder Handfeuerwaffe „Korn“ genannt wird.
Holzauge sei wachsam:Das Holzauge ist eine gelochte Holzkugel, die drehbar gelagert in einer Schießscharte für Armbrust und Büchsen eingelassen ist. Der Schütze kann so Ziele „auf’s Korn nehmen“, ohne sich selbst „eine Blöße zu geben.“
Lunte riechen:Einen Hinterhalt erahnen oder jemandem auf die Schliche kommen. Geht auf frühe Formen der Vorderladergewehre zurück, die mit einer ständig glimmenden Lunte gezündet wurden. Stand der Wind günstig, konnte der Feind den charakteristischen Geruch der gegnerischen Lunten riechen und war gewarnt.
Über das Ziel hinaus schießen:Durch Übermut einen anfänglichen Erfolg in einen Misserfolg kehren. Geht auf das Schießwesen zurück, wenn der Schütze das Ziel zu hoch steckt und das Projektil so über das Ziel hinaus schießt.
Voll ins Schwarze treffen:Mit einer Vermutung oder Aussage genau richtig liegen. Geht auf das Schießwesen zurück, in dem das Zentrum der Zielscheibe oft ein schwarzer Kreis ist.
Sprichwörter aus Turnierwesen und Fechtwesen
Auf der Hut sein:Auch „sich hüten“. Vorsichtig sein. Geht auf die Huten aus dem Fechtwesen zurück.
Böses im Schilde führen:Schlechte Absichten haben. Feindliche Ritter erkannte man oft nur am Wappen, das unter anderem auf die Schilde gemalt war.
Das Heft in der Hand haben:Bestimmen, das Sagen haben. In gleicher Weise auch „das Heft in der Hand behalten“ und „das Heft aus der Hand geben“. Mit „Heft“ ist der Schwertgriff gemeint.
Das ist ein zweischneidiges Schwert:Eine Sache, die sowohl Vor- als auch Nachteile hat.
Einen in der Krone haben:Betrunken sein oder einen Kater haben. Ein möglicher Ursprung dieser Redewendung ist die Krone, eine Abwehrhaltung im Schwertfechten, bei der das Gefäß vor oder über den Kopf gehalten wird. Bricht der Angreifer die Krone, trifft er den Verteidiger am Kopf, welcher dann einen Hieb in der Krone und entsprechende Kopfschmerzen hat. Regional bedeutet betrunken sein auch „einen Hieb haben“.
Etwas in den Sand setzen:Nicht erfolgreich sein. Geht auf den sandigen Boden des Turnierplatzes zurück, auf den der Unterlegene fiel.
Für jemanden eine Lanze brechen:Jemanden verteidigen, ihm beistehen. Geht auf das Turnierwesen zurück.
Jemanden ausstechen:Jemanden übertreffen oder verdrängen. Geht auf das Turnierwesen zurück, in dem der Sieger im Lanzenstechen (Tjost) den Verlierer aus dem Sattel stach.
Jemandem den Fehdehandschuh hinwerfen:Mit jemandem Streit anfangen oder ihn herausfordern. Geht auf die ritterliche Art zurück, eine Fehde anzusagen, indem dem Herausgeforderten ein Kettenhandschuh hingeworfen wurde und dieser ihn aufhob, um die Fehde symbolisch anzunehmen.
Jemandem eine Abfuhr erteilen:Jemandem eine Bitte abschlagen. Geht auf das studentische Fechtwesen zurück. Der bei der Mensur unterlegene Student wird aus dem Saal abgeführt, ihm wird also eine Abfuhr erteilt.
Jemandem eine Bitte abschlagen:Einen Wunsch nicht gewähren, wobei „abschlagen“ wörtlich im Sinne von „abtrennen“ gemeint ist. Geht auf das studentische Fechtwesen zurück.
Jemandem in die Parade fahren:Jemandes Pläne durchkreuzen. Geht auf die Parade aus dem Fechtwesen zurück.
Jemanden in die Schranken weisen:Jemanden zurechtweisen, seine Grenzen aufzeigen. Geht auf das Turnierwesen zurück, der Turnierplatz war durch Holzstangen oder Holzzäune, den Schranken, beschränkt.
Jemanden über die Klinge springen lassen:Jemanden zu Fall bringen, ihn stürzen oder beseitigen. Die besagte Klinge ist die des Richtschwertes.
Jemanden übers Ohr hauen:Jemanden betrügen. Geht auf das studentische Fechtwesen zurück, wobei ein Fechter gemeint ist, der sich nicht an die Regeln hält.
Mit dem Rücken zur Wand stehen:In einer misslichen Lage sein, aus der man sich nur noch schwer verteidigen kann. Geht auf das Fechtwesen zurück. Steht ein Fechter mit dem Rücken zur Wand, kann dieser nicht mehr zurückweichen und ist leichter angreifbar.
Rutsch mir den Buckel runter:Entspricht dem
Götz-Zitat und drückt Verachtung und Ablehnung aus. Geht auf den Schildbuckel zurück.
Sich eine Blöße geben:Sich in eine missliche Lage bringen, sich angreifbar machen. Geht auf die vier Blößen aus dem Fechtwesen zurück.
Und nicht zuletzt
Der Kampf gegen Windmühlen:Beschreibt einen Umstand, gegen den man nicht ankommt — entweder wegen der Überlegenheit oder häufiger wegen des Unverstandes des Verursachers. Geht auf die Romanfigur Don Quijote, dem „Ritter von der traurigen Gestalt“, zurück, der gegen Windmühlen kämpfte, die er für Riesen hielt.